20.09.2023
Zur Heizperiode 2027/2028 könnte die Wärme fließen: 7000 Straßburger Haushalte sollen dann von Calorie Kehl-Strasbourg (CKS) mit der im Produktionsprozess bei den Badischen Stahlwerken in Kehl unvermeidbar anfallenden Abwärme heizen können. So lautet der Plan, der am Dienstag, 19. September, auf dem Gelände der Badischen Stahlwerke (BSW) im Kehler Hafen von den Vertreterinnen und Vertretern der Partner der eigens für das Projekt gegründeten grenzüberschreitenden Wärmegesellschaft zahlreichen deutschen und französischen Journalisten vorgestellt wurde. Mit dem in Europa einzigartigen Projekt mache man sich gemeinsam auf den Weg in eine klimaneutrale Zukunft des Lebensraums Strasbourg-Kehl, lautete die einhellige Botschaft. Auch Sabine Schimetschek, Generaldirektorin von CKS, stand Rede und Antwort.
Im Konferenzraum der BSW begrüßt wurden die Vertreterinnen und Vertreter der Medien sowie die Verwaltungsrätinnen und -räte von CKS, von Carolin Kramer, der stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzende der BSW, die zugleich die Eigentümerfamilien repräsentierte. Die Badischen Stahlwerke hätten schon lange Jahre Interesse daran, die Abwärme aus dem Produktionsprozess zu nutzen, erklärte sie, doch sei dies aufgrund der niedrigen Energiepreise und der Lage des Stahlwerks auf einer Halbinsel im Kehler Hafen nicht darstellbar gewesen. Der Klimawandel und der Krieg in der Ukraine hätten alles verändert: „Solche Projekte brauchen den politischen Willen und Unterstützung.“ Gerade weil die BSW durch das Einschmelzen von Schrott ressourcenschonend produzierten, wolle man das Projekt nutzen, die Stahlherstellung grüner zu machen.
Noch stehen zwar die Bagger nicht bereit, doch sind inzwischen die Voruntersuchungen angelaufen, die Grundlage der Planung des Leitungsnetzes sind, das durch die Häfen Kehl und Straßburg verlaufen soll. Der Sommer sei genutzt worden, stellte Sabine Schimetschek dar, um technische Daten und notwendige Informationen auf beiden Rheinseiten zu sammeln. Geklärt werden muss, je nach Trassenvariante, wo die Rohrleitung als sogenannter Mikrotunnel und wo oberirdisch verlegt werden wird. Eine der Herausforderungen ist die Querung des Rheins. „Zweimal zwei Jahre“, antwortete Sabine Schimetschek auf die Frage von Journalisten nach der Zeit für Planung und Bau.
Die Länge der Trasse und die Bauart der Leitung werden auch über die Kosten des Projekts entscheiden: Diese werden sich für CKS in einem Rahmen von 25 bis 32 Millionen Euro bewegen. Damit die Wärme aus dem Produktionsprozess der Badischen Stahlwerke in die Leitungen eingespeist werden kann, sind auch im Werk erhebliche Umbauarbeiten zu leisten. Diese werden derzeit auf etwa 11,5 Millionen Euro veranschlagt; 3,5 Millionen Euro sind den BSW als Zuschuss des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz in Aussicht gestellt. CKS, die mit rund zwei Millionen Euro aus dem INTERREG-Programm der Europäischen Union gefördert wird, erwartet für die Planung und den Bau der voraussichtlich 4,5 Kilometer langen Wärmeleitung etwa 14 Millionen Euro an Subventionen von der französischen ADEME und der deutschen BAFA.
„Die Klimakrise kennt keine Landesgrenze“, brachte es Harald Höflich vom Stuttgarter Umweltministerium auf den Punkt: Daher dränge sich die grenzüberschreitende Nutzung der Abwärme der BSW geradezu auf. So sieht es auch die Straßburger Oberbürgermeisterin und Präsidentin von Calorie Kehl-Strasbourg: Das Projekt sei unabdingbar, erklärte sie im Konferenzraum des Stahlwerks. Gemeinsam schaffe man ein Europa des Klimas und gehe gleichzeitig gegen Energiearmut an, indem man Wärme zu einem erschwinglichen und stabilen Preis liefern werde. Als „Schicksalsgemeinschaft im Bereich Energie“ bezeichnete Regionalrätin Régine Aloird die Région Grand Est und das Land Baden-Württemberg, gerade in Energie- und Klimafragen müssten die Regionen untereinander solidarisch sein. Durch das gemeinsame Projekt könne man zur Exzellenz-Region werden, meinte Régine Aloird.
Der Kehler Oberbürgermeister Wolfram Britz freute sich, „die Euphorie zu spüren“, die das Projekt bei den Partnerinnen und Partnern hervorrufe: „Wir gestalten hier gemeinsam Zukunft.“ Wie schon die grenzüberschreitende Tram werde auch dieses Projekt in Europa Leuchtturmcharakter entfalten. Für die Banque des Territoires ist die Beteiligung an CKS das erste grenzüberschreitende Projekt: „Es erfüllt uns mit großem Stolz, dabei sein zu können, es ist ein Pionierprojekt“, erklärte Regionaldirektor Alexandre Schnell. Weil CKS stabile Energiepreise anbieten könne, werde das Vorhaben auch zum sozialen Zusammenhalt beitragen. Die Erkenntnisse und die Erfahrungen aus dem Projekt wolle die Banque de Territoires dann auch in anderen Grenzregionen Frankeichs nutzen. So sieht es auch Harald Höflich: Die Zeit zu investieren, die notwendig war, um ein Gesellschaftsmodell zu finden, habe sich sehr gelohnt: „Es ist ein gelungenes Gemeinschaftsprojekt“, das außerdem ein Beispiel dafür sei, wie ökologische Transformation in der Industrie gelingen können: „Es ist bemerkenswert, dass ein Unternehmen hier vorangeht“, hob er das Engagement der Badischen Stahlwerke hervor.